DAX: Konjunktur gibt Auftrieb trotz Risiken

Dr. Klaus Bauknecht

Die Anzeichen einer zyklischen Erholung der Weltwirtschaft sowie die Erwartung einer ersten EZB-Zinssenkung im Juni geben dem DAX aktuell viel Auftrieb. Und in der Tat gibt es erste Hoffnungsschimmer, dass eine konjunkturelle Erholung die grundlegende strukturelle Wachstumsschwäche am Standort Deutschland zumindest kurzfristig abmildern sollte. Damit einhergehend dürften sich Stimmung und auch die Unternehmensgewinne verbessern. Basierend auf den Konjunkturprognosen für 2024 und 2025 hat der DAX durchaus weiteres Potenzial. Schließlich sind die DAX-Firmen global aufgestellt, und ihre Ertragssituation ist weniger beeinflusst durch die strukturellen Herausforderungen, die aktuell den Standort Deutschland belasten. Doch auch das verarbeitende Gewerbe in Deutschland sollte von der zyklischen Erholung profitieren. So konnte die inländische Produktion bereits im Januar und Februar deutlich zulegen, auch wenn im Vergleich zur Vor-Corona-Situation das Niveau nach wie vor eher niedrig ausfällt. Außerdem verzeichneten die besonders gebeutelten Branchen wie Chemie und Automobil deutliche Produktionsgewinne.

Kritischer hingegen sind anhaltende bzw. eskalierende geopolitischer Spannungen, die die Risikoaversion erhöhen, zu sehen. Hierbei wird die US-Präsidentenwahl sicherlich auch eine Rolle spielen. So ist eine Trump-Präsidentschaft mit zusätzlicher Unsicherheit behaftet, da das Risiko von „Unfällen“ doch deutlich höher ausfällt als unter einer Biden-Regierung. Dies gilt für den Konflikt im Nahen Osten ebenso wie für den Ukrainekrieg. Das Risiko globaler Blockbildungen und eines zunehmenden Protektionismus besteht allerdings bei beiden Kandidaten. Aus Unternehmersicht ist eine eindeutige Präferenz bzgl. des nächsten US-Präsidenten jedoch weniger klar. Während sich Trump womöglich besonders auf Protektionismus und Zölle im Sinne von „Amerika First“ fokussieren wird, sollte sich Biden zwar ebenso patriotisch, aber doch deutlich diplomatischer zeigen. Schließlich wurde der Inflation Reduction Act, der oft als diskriminierend gegenüber Europa angesehen wird, von der Biden-Administration verabschiedet.

Die Anreize, in den USA zu investieren, haben gerade durch den Inflation Reduction Act deutlich zugenommen und würden im Umfeld höherer Zollmauern, niedriger Energiekosten sowie geringerer Steuern und Zinsen einen weiteren Schub erhalten. Mit Trump wäre also mit einer stärkeren Welle von Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in den USA zu rechnen. Unter Biden würde hingegen eine höhere Unternehmenssteuer zumindest teilweise die Anreize des Inflation Reduction Act verwässern. So wäre eine Biden-Präsidentschaft für den Standort Deutschland von Vorteil, nicht aber für deutsche Unternehmen, deren Profitabilität am Standort USA belastet werden könnte. Auch ist unter Biden mit einem höheren Zinsniveau zu rechnen. Seine Fiskalpolitik fokussiert sich stark auf die Ausgabenseite, die mit höheren Steuern finanziert wird. Trumps Regierung dürfte zwar ebenfalls ein hohes fiskalisches Defizit ausweisen. Die Angebotsseite der Wirtschaft würde aber ohne Steuererhöhungen weniger belastet werden. Zudem könnte eine zunehmende Risikoaversion zu niedrigeren US-Renditen führen. So mag sich eine gestiegene Risikoaversion zwar negativ auf den DAX auswirken, die daraus folgenden geringeren risikofreien Renditen sollten sich jedoch positiv auswirken. Doch all diese Überlegungen sind von geringer Bedeutung, wenn sich die Konjunkturerholung als robust genug erweisen sollte. Und gerade diese Unsicherheit scheint sich angesichts der Verbesserung aktueller Frühindikatoren zu legen. So sollte der DAX in den kommenden Monaten trotz politischer Unsicherheiten und US-Wahlkampfs weiterhin Auftrieb verspüren – unterstützt von Fed- und EZB-Zinssenkungen.

Newsletter vom 10. April 2024

Dr. Klaus Bauknecht – Chefvolkswirt
IKB Deutsche Industriebank AG

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