Geldanlage: Börsenpräsident mach Anlegern Hoffnung auf bessere Zeiten

Hamburger Abendblatt, 10. November 2022

Ein Gespräch mit Friedhelm Steinberg über die Aussichten für Aktien, die Chancen nachhaltiger Geldanlage und den Hamburger Handelsplatz.

Nach zweijähriger Corona-Pause findet an diesem Sonnabend wieder ein Börsentag als Präsenzveranstaltung in der Handelskammer Hamburg statt. Von 09:30 Uhr bis 18 Uhr können sich die Besucher an Messeständen und in mehr als 60 Fachvorträgen über Geldanlagethemen informieren, der Eintritt ist frei und eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Über die aktuelle Situation am Aktienmarkt, die Aussichten und über die Entwicklung des Hamburger Aktienhandels sprach unsere Zeitung mit Friedhelm Steinberg, dem Präsidenten der Wertpapierbörse Hamburg. Nach insgesamt 15 Jahren in diesem Amt hat er sich entschieden, demnächst als Börsenpräsident abzutreten.

Hamburger Abendblatt: Bedeuten die beiden kurz aufeinander folgenden Weltkrisen – Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg – auch für den Aktienmarkt eine „Zeitenwende“? Muss man die gewohnten Renditeerwartungen dauerhaft nach unten korrigieren?

Friedhelm Steinberg: Tatsächlich hat ein regelrechter Doppelschlag die Finanzmärkte getroffen: Aktienkurse sind kräftig unter Druck geraten und gleichzeitig hat ein Zinsschock die Kurse der Anleihen in die Tiefe geschickt. Die Welt hat sich verändert – so radikal wie seit Jahrzehnten nicht.

Wir leben in unsicheren Zeiten und das belastet natürlich zumindest kurzfristig derzeit auch den Aktienmarkt. Aber man sollte nicht vergessen, dass Krisen in der Vergangenheit immer wieder den Ausgangspunkt für einen neuen Aufschwung gebildet haben. Langfristig bleiben Aktien in jedem Fall interessant.

Wie wirkt die hohe Inflation auf die Aktienkurse? Es heißt ja, dass Aktieninvestments davon tendenziell unberührt bleiben, weil Unternehmen die gestiegenen Kosten über höhere Preise an die Kunden weitergeben können.

Steinberg: Die Spielräume für Preiserhöhungen sind aber begrenzt und das funktioniert auch nur mit einer gewissen Verzögerung. Die Wucht und das Tempo des Inflationsanstiegs haben die Wirtschaft, die Verbraucher und auch die Anleger verunsichert, Konsumenten halten sich bei den Ausgaben jetzt erst einmal zurück.

Vor allem aber hat die Inflation auch die Zinsen sehr schnell hochgetrieben. Das belastet stark verschuldete Unternehmen und macht festverzinsliche Geldanlagen für einen Teil der Investoren wieder zu einer überlegenswerten Alternative zu den Aktien.

Erwarten Sie aus allen diesen Gründen auch ein schlechtes Aktienjahr 2023?

Steinberg: Ich denke, wir werden wieder bessere Zeiten bekommen – und der Aktienmarkt nimmt so etwas ja häufig um ein halbes Jahr oder mehr vorweg. Im Jahr 2024 dürfte sich die Inflationsrate schon wegen der Basiseffekte auf durchschnittlich weniger als drei Prozent normalisieren.

Unter der Voraussetzung, dass der Ukraine-Krieg eine nicht noch viel schlimmer Entwicklung nimmt und es nicht zu erneuten Corona-Lockdowns kommt, könnten wir schon in der zweiten Jahreshälfte 2023 wieder ein höheres DAX-Niveau sehen als heute und zum Jahresende 15.000 Punkte erreichen. Mittelfristig werden wir zudem neue Anlegerkreise am Aktienmarkt und damit mehr Nachfrage sehen.

Quelle: Hamburger Abendblatt, von Volker Mester