Im Rausch der Börse

So titelt es diese Woche auf dem Cover des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. In der Topstory wird eine gesellschaftliche Entwicklung beleuchtet, die absolut unterschiedlich wahrgenommen werden kann: Die einen sehen das Aufblühen einer bisher unterentwickleten deutschen Aktienkultur und des eigenverantwortlichen Vermögensaufbaus durch demokratisierten Kapitalmarktzugang mit Hilfe smarter Apps und niedriger Kosten in zinslosen Zeiten. Für die anderen ist es das Vorspiel zur Finanzmarkt-Apokalypse als Ausprägung eines enthemmten Kapitalismus, befeuert aus der Scheinwelt sozialer Medien inklusive neuer Betrugsmaschen und mit deutlichen Zügen von Spielsucht sowie Kontrollverlust.

Aber überhaupt: Gilt für eine überraschend breite mediale Berichterstattung zum sonstigen Nischenthema Börse nicht immer noch der „Bildzeitung-Indikator“ als Vorzeichen für den nächsten großen Börsencrash?

Vielleicht gelten aber inzwischen neue Phänomene, die den Zenit einer Euphoriewelle ankündigen: Am Wochenanfang zündete eine fragwürdige Kursrakete mit Flugrichtung „to the moon“: Der bisherige Pennystock Windeln.de vervielfachte sich seit dem plötzlich bei hohen Umsätzen und ohne fundamentale Nachrichten. Schon am Montag analysierte 4investors die teils dubiosen Hintergründe, aber als „das deutsche Gamestop“ hat sich die Kursentwicklung dieses ersten nationalen „Meme-Stock“ von der Realität schon abgekoppelt. Weitere solche Werte folgen bereits. Doch Weltraumexpeditionen tragen ein hochexplosives Risiko und man muss hoffen, dass der Rausch nur mit einem Kater endet und keine schlimmeren Schäden anrichtet.

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Newsletter vom 9. Juni 2021

Ihr Thomas Strelow, Börse Düsseldorf

Foto Thomas Strelow