Kaum abschätzbare Unsicherheiten – Härtetest für Anleger

Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts waren im Jahr 2021 rund 12,1 Millionen Menschen in Deutschland in Aktien, Aktienfonds oder aktienbasierten ETF`s investiert. Damit ist die Anzahl der Aktionärinnen und Aktionäre nach dem deutlichen Anstieg aus dem Jahr 2020 mit einem Plus von 2,7 Millionen im vergangenen Jahr nur leicht gesunken.

Besonders bemerkenswert ist, dass offensichtlich viele den Einstieg an der Börse mitten im Sturm der Coronakrise geschafft haben und in den Folgemonaten wohl mit deutlichen Kursgewinnen belohnt wurden. Anders war es beim vorangegangenen Höhepunkt der Aktienkultur in Deutschland Ende der 90`er-Jahre, als die Anzahl der Aktienbesitzer in etwa die heutigen Niveaus erreichte. Damals endete das gestiegene Interesse am Kapitalmarkt bekannterweise in herben Enttäuschungen im Zuge des Platzens der Internetaktienblase. Viele Neubörsianer der letzten zwei Jahre hingegen erleben gerade jetzt den ersten emotionalen Härtetest.

Dabei ist die Mischung aus Kriegsangst, den höchsten Inflationsraten seit Jahrzehnten, daraus resultierenden, ebenfalls seit langer Zeit beispiellosen Zinssteigerungen sowie den Folgen der nach wie vor vorhandenen Pandemie mit massiven Auswirkungen für globale Lieferketten und Produktion zweifellos eine besonders schwer verdauliche Mischung, die an den Kapitalmärkten verarbeitet werden muss. Auch Börsenprofis schlägt diese Gemengelage mehr oder weniger stark auf den Magen, zumal Prognosen über kurzfristige künftige Entwicklungen angesichts fehlender historischer Beispiele für ähnlich prekäre Situationen kaum valide möglich sind.

Umso wichtiger ist allerdings, dass Menschen mit langjährigen Börsenerfahrungen sich jetzt zu Wort melden und für zweifelnde Erstanleger mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wer schon lange im Geschäft ist, kennt die teils extremen Aufs und Abs der Kurse und weiß, dass es immer wieder zu Übertreibungen in die eine oder andere Richtung kommt. Auch wenn aktuell offensichtlich alle Trends nach unten zeigen und kurzfristig zumeist noch keine Bodenbildung erkennbar ist, sind es diese schwierigen Zeiten, in denen es für Verkäufe oftmals bereits zu spät ist und andererseits die Positionierung in Unternehmen mit stabilen und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen in den kommenden Jahren besonders ertragreich sein kann. Unter sehr hohem Druck werden Menschen und Unternehmen besonders kreativ und innovativ und legen wichtige Grundsteine für den – auch diesmal sicher – auf die Krise folgenden Aufschwung.

Newsletter vom 25. Mai 2022

Carsten Mumm – Chefvolkswirt und
Leiter der Kapitalmarktanalyse
Privatbank Donner & Reuschel

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