„Finanztransaktionssteuer“ ist Börsen-Unwort des Jahres 2019
- Jährliche Umfrage unter Maklern, Händlern und Mitarbeitern der Börse
- Begründung: Etikettenschwindel für Strafabgabe auf Aktiengeschäfte
- Mit Abstand folgten: Handelskrieg, TINA, Grünes Gold, Tenbagger
14.01.2020 – Düsseldorf – Bei der inzwischen 19. Wahl zum Börsen-Unwort des Jahres gab es an der Börse Düsseldorf einen klaren Sieger: Finanztransaktionssteuer. In dem Begriff sehen die Börsen-Makler, Wertpapier-Händler und Handelsplatz-Mitarbeiter einen klassischen Etikettenschwindel. Bei dem vom Bundesfinanzminister im letzten Jahr forcierten Projekt zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer handelt es sich bei näherer Betrachtung vielmehr um eine Strafabgabe auf Aktiengeschäfte in europäischen Blue-Chip-Werten. Denn anders als das Wort es vermuten lässt, sollen nach den aktuellen Planungen lediglich die Käufe und Verkäufe börsennotierter Aktien von grundsätzlich soliden Großunternehmen besteuert werden. Betroffen wären 145 deutsche bzw. 500 europäische Konzerne mit Marktkapitalisierung von über 1 Mrd. Euro. Die als besonders spekulativ geltenden Derivateprodukte, Glücksspiel-ähnliche CFDs, windige Pennystock-Aktien oder der algorithmische Hochfrequenzhandel blieben dabei unberücksichtigt. Die ab 2021 jährlich geschätzten 1,5 Mrd. Euro auf Deutschland entfallenden Einnahmen sollen nach Regierungsplänen im Wesentlichen zur Finanzierung der neuen Grundrente verwendet werden. Alle Oppositionsparteien sowie Finanzindustrie und Anlegerschützer argumentieren bemerkenswert geschlossen gegen diese Umsetzung der Abgabe.
„Die ursprüngliche Intention einer solchen Steuer zur Krisenprävention und Stabilisierung des Finanzsystems ist völlig aus den Augen verloren worden“, beklagt der Düsseldorfer Börsen-Geschäftsführer Thomas Dierkes. „Professionelle Marktteilnehmer haben Möglichkeiten, die Abgabe relativ einfach zu umgehen. Jedoch dürften Privatanleger, die einen langfristigen Vermögensaufbau über konservative Aktien, Fonds oder ETFs, voll betroffen sein. Es droht, gerade in der weiter anhaltenden Null-Zins-Phase, ein Rückschlag bei der ohnehin nur schwach ausgeprägten deutschen Aktienkultur und damit auch für den wichtigen Baustein der privaten Vorsorge als Maßnahme gegen Altersarmut.“
Die von vielen Seiten vorgetragene und sachlich fundierte Kritik findet bei den Verantwortlichen scheinbar wenig Beachtung. Es wird auf die Durchsetzbarkeit einer gemeinsamen Finanztransaktionssteuer mit den EU-Partnerländern eben nur auf dem geplanten Niveau als kleinster möglicher Kompromiss verwiesen. Die Online-Petition „Stoppt den Steuerirrsinn“ der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz e.V. ist die größte ihrer Art und sammelte seit Anfang September knapp 30.000 Unterstützer. Bisher wohl zu wenig, um den Druck auf die Politik spürbar zu erhöhen.
Mit deutlichem Abstand belegten bei der 2019er Unwort-Wahl die Begriffe „Handelskrieg“, „TINA“ (There Is No Alternative), „Grünes Gold“ (Cannabis-Aktien) sowie „Tenbagger“ (Verzehnfacher) die Folgeplätze. Das Team der Düsseldorfer Börse ermittelt seit 2001 im jährlichen Rückblick das Börsen-Unwort. Die Wahl erfolgt in Anlehnung an die 1991 ins Leben gerufene sprachkritische Aktion des Germanisten Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser.
Bisherige Börsen-Unwörter:
„America First“ (2018), „Bitcoin Boom“ (2017), „Anlagenotstand“ (2016), „Zinswende“ (2015), „Guthabengebühr“ (2014), „Billiges Geld“ (2013), „Freiwilliger Schuldenschnitt“ (2012), „Euro-Gipfel“ (2011), „Euro-Rettungsschirm“ (2010), „Bad Bank“ (2009), „Leerverkauf“ (2008), „Subprime“ (2007), „Börsen-Guru“ (2006), „Heuschrecken“ (2005), „Seitwärtsbewegung“ (2004), „Bester Preis“ (2003), „Enronitis“ (2002), „Gewinnwarnung“ (2001)