Konjunktur in den USA: Soft, Hard oder No Landing?

Carsten Mumm

Volkswirte verstehen unter einem „No Landing“ eine Phase, in der die Zinsen durch die Notenbanken angehoben werden, um Inflation zu bekämpfen, es aber nicht zu einer nennenswerten Abkühlung der Wirtschaft kommt. Da die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in diesem Fall jedoch kaum abnimmt, bleibt der Inflationsdruck hoch. Die Notenbanken müssten die Zinsen weiter anheben und so ein Soft oder Hard Landing erzeugen. Entsprechend werden in der US-Historie bisher nur deutliche Wachstumsabkühlungen oder tiefe Rezessionen im Anschluss an einen Zinserhöhungszyklus der Fed dokumentiert.

An den Börsen geht man derzeit davon aus, dass die Leitzinsspitze in den USA erreicht ist. Mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 40 Prozent ist zwar eine weitere Zinsanhebung im Dezember oder Januar denkbar. Das Hauptszenario ist allerdings eine längere Phase anhaltend hoher Zinsen auf dem aktuellen Niveau.

Allerdings ist die tatsächliche Wirkung der bisherigen Zinsanhebungen nur schwer abschätzbar. Hintergrund sind strukturelle Veränderungen von Wirkungsketten aufgrund der Vielzahl von fundamentalen Veränderungen der letzten Jahre, die auch Transmissionskanäle der Geldpolitik betreffen. Das offensichtlichste Beispiel ist der Arbeitsmarkt nach der Coronakrise. Trotz nachgebender Aktienkurse und Immobilienpreise, sinkender Stimmungsindizes der Unternehmen und der weltweiten Industrierezession verharrt die US-Volkswirtschaft bisher auf Vollbeschäftigungsniveau mit der Folge eines anhaltend hohen Lohnsteigerungs- und damit Inflationsdrucks.

Daher muss die Fed derzeit „auf Sicht fahren“, also datenabhängig von Sitzung zu Sitzung ihre geldpolitische Ausrichtung adjustieren, wodurch für Marktteilnehmer eine erhöhte Unsicherheit entsteht. Wir gehen davon aus, dass es in den kommenden Monaten doch noch zu einer spürbaren Abkühlung der US-Konjunktur und einer milden Rezession kommt. Denn vor allem die stark gestiegenen Zinsen bei längeren Laufzeiten wirken zunehmend auf die Fremdkapitalkosten von Unternehmen und Privaten und dämpfen so die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.

Kurzfristig ist daher mit verstärkten Revisionen von Gewinnerwartungen und damit anhaltenden Schwankungen an den Aktienmärkten zu rechnen. Sollte die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Leitzinsanhebung hingegen doch noch weiter steigen, dürften Aktien, vor allem aus zinssensitiven Bereichen wie Technologie, und Edelmetalle stärker nachgeben, genauso wie der Euro im Vergleich zum US-Dollar.

Newsletter vom 04. Oktober 2023

Carsten Mumm – Chefvolkswirt und
Leiter der Kapitalmarktanalyse
Privatbank Donner & Reuschel

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