Die wirtschaftspolitische Zwischenbilanz der Bundesregierung

Gemäß Ökonomenpanel, einer vom ifo-Institut und der FAZ lancierten Umfrage unter 170 Volkswirtschaftsprofessoren und -professorinnen, fiel die wirtschaftspolitische Zwischenbilanz nach 100 Tagen Regierungsarbeit ernüchternd aus. Nur ein Viertel der Befragten bewertete die bisherigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen als positiv. Dem stehen mehr als 40 Prozent mit einem negativen Fazit gegenüber, während ein Drittel mit „neutral“ geantwortet hat.
Zwar wurden eindeutig positive Impulse zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland beschlossen, bspw. die Aussicht auf dringend notwendige staatliche Investitionen, verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten, die ab 2028 sinkende Körperschaftsteuer oder die Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes. Parallel dazu wurde ein schrittweiser Bürokratieabbau eingeleitet: Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien sowie die Vergabe öffentlicher Aufträge wurden vereinfacht und digitalisiert. Verbraucher sollen durch den Wegfall der Gasspeicherumlage und niedrigere Netzentgelte entlastet werden. Positiv für das Ansehen Deutschlands in der Welt ist auch das akzentuierte Vorgehen von Kanzler Merz und anderer Regierungsvertreter in außenpolitischen Fragen, insbesondere bei den Themen Handels- und Sicherheitspolitik sowie der Verbesserung des Verhältnisses zu Frankreich.
Allerdings wurden wesentliche Ankündigungen, wie die Senkung der Stromsteuer für private Haushalte nicht umgesetzt. Kritisch sehen Ökonomen die Senkung der Einkommenssteuer in der Gastronomie, denn es ist unklar, ob damit ein positiver konjunktureller Impuls erreicht werden kann. Die Ausweitung der Mütterrente muss volkswirtschaftlich als rein konsumtiv verbucht werden, beschleunigt also kaum die seit Jahren schwache Wachstums- und Produktivitätsdynamik in Deutschland. Dringend notwendige Reformen, bspw. der Renten- und Sozialversicherungen oder der Schuldenbremse wurden bisher höchstens an Kommissionen delegiert.
Stimmungsindikatoren, wie der ifo-Geschäftsklimaindex signalisierten nach Monaten steigender Hoffnung zuletzt wieder eine zunehmende Skepsis, bei gleichzeitig sehr schwacher Beschreibung der aktuellen Lage bei vielen Unternehmen. Ein ausgeprägter Auftragsmangel, die Zurückhaltung beim privaten Konsum sowie Handelskonflikte und eine anhaltend schwache Exportnachfrage aus China belasten nach wie vor. Das deutsche Wirtschaftswachstum fiel im zweiten Quartal mit einem Minus von 0,3 Prozent schwächer aus als erwartet. Und auch an den Aktienmärkten spiegelt sich zunehmende Skepsis wider. Deutschland braucht daher dringend den von der Regierung selbst propagierten „Herbst der Reformen“, um der Aussicht auf strukturelle Verbesserungen des Standorts und damit Investitionen und Konsum neuen Schwung zu verleihen.

Newsletter vom 01. Oktober 2025
Carsten Mumm – Chefvolkswirt und
Leiter der Kapitalmarktanalyse
Privatbank Donner & Reuschel
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